Trauer und Trauma – Buchempfehlung

Trauer und Trauma Weber Shah

Hanne Shah und Thomas Weber
Trauer und Trauma.
Die Hilflosigkeit der Betroffenen und der Helfer und warum es so schwer ist, die jeweils andere Seite zu verstehen

Seit einigen Jahren erscheinen immer mehr Ratgeber für trauernde Menschen und Fachbücher über Trauertheorien oder Trauma. Die Stärke des Buches „Trauer und Trauma“ ist, dass es beide Blickwinkel, den der Helfenden und den der Betroffenen miteinander ins Gespräch bringt. Es fokussiert dabei auf Trauerprozesse nach einem traumatisierenden Ereignis, einem plötzlichen oder gewaltsamen Tod.

Im ersten Teil des Buches geht es um die ersten Stunden und Tage nach dem Unglück. Wie geht es Helfern, wenn sie an den Ort des Geschehens kommen? Worin unterscheiden sich Notfallseelsorger und Notfallpsychologen von anderen Ersthelfern? Wie erleben Angehörige das Überbringen der Todesnachricht?

Den unterschiedlichen Reaktionen von Gesellschaft, Helfenden und Trauernden Wochen, Monate oder Jahre nach dem Ereignis geht der zweite Teil des Buches nach. Wo werden die Grenzen der Trauernden überschritten? Wie gehen Betroffene mit den Interviewanfragen der Medien um? Welche Bedeutung hat es für sie, selbst aktiv zu sein?  Da die Schuldfrage in Verbindung mit dem Tod eine der größten Herausforderungen für einen Menschen darstellt, gehen die Autoren sehr ausführlich auf Schuld und Schuldgefühle, auf die Mechanismen der Schuldverdrängung und des Schamverhaltens ein.

Thomas Weber und Hanne Shah bringen ihre langjährigen Erfahrungen zusammen. Weber ist als Diplom-Psychologe spezialisiert auf die Nachbetreuung Traumatisierter. Shah ist eine betroffene Mutter, die sich nach dem Tod ihres Sohnes intensiv mit der Thematik auseinander gesetzt hat und seit vielen Jahren an Schulen zu den Themen Trauer und Krisen mit LehrerInnen und SchülerInnen arbeitet.

Der Gesamteindruck:

  • Die Begriffsklärungen psychisches Trauma und Trauer sind gut verständlich dargestellt. Leider werden die am Ende des Buches genannten Begriffe ‚sekundäre’ oder ‚stellvertretende’ Traumatisierung nicht weiter ausgeführt.
  • Hilflosigkeit prägt das Erleben bei einem plötzlichen oder gewaltsamen Tod. Hilflosigkeit  erleben und aushalten, damit sind sowohl die betroffenen Menschen als auch die Helfenden konfrontiert. Angesprochen sind zunächst die Helfenden: Ärzte, Polizisten, Feuerwehrleute, Psychologen und Notfallseelsorger – und ich ergänze: Bestatter. Im Weiteren ist auch das gesamte Umfeld betroffen, denn ein solcher Tod erschüttert jeden. Die Autoren zitieren ausführlich nicht nur ausgesprochene Worte, sondern auch Gedanken und geben viele Beispiele für unbedacht gesagte Sätze der Helfenden und des Umfeldes. So wird der besondere Kontakt zwischen Betroffenen und Helfenden in der Krisensituation sehr anschaulich.
  • Alle wichtigen Fragen werden angesprochen, so auch die oft unter Zeitdruck stehende Entscheidung, einer Organtransplantation zuzustimmen; oder die Auswirkungen auf die trauernden Geschwisterkinder.
  • Die Autoren schreiben mit einer warmen, freundlichen Haltung gegenüber allen Betroffenen und Helfern. Das hebt diese Veröffentlichung von dem sachlich distanzierten Ton zahlreicher Fachbücher wohltuend ab. Verständliche Reaktionen und psychische Mechanismen werden aufgezeigt ohne den Zeigefinger zu einem Sollen oder Müssen zu erheben.

So ist ein Fachbuch entstanden, von dem Helfende und Betroffene gleichermaßen profitieren können, da es weder eine Betroffenenliteratur noch eine schwer zu lesende Fachveröffentlichung ist. Den beiden Autoren ist es gelungen, ihre professionelle Sicht auf Trauer und Trauma mit der Perspektive von Betroffenen zu verbinden. Diese kommen immer wieder mit Zitaten zu Wort und machen anschaulich, was sonst nur reine Theorie bliebe. Gleichzeitig wird der Leser an die Hand genommen, nicht bei der Betroffenheit durch die erzählten Erfahrungen stehen zu bleiben. Die Erfahrungen werden stets reflektiert und in den Gesamtrahmen des Themas Trauer und Trauma eingefügt.

Das Buch endet mit einem Plädoyer für eine bestmögliche Schulung der Helfenden. Gleichzeitig betonen die Autoren, dass die Fähigkeit eine Beziehung herzustellen wichtiger ist als jedwede erlernte Technik, und dass Einfühlungsvermögen und reflektierte Erfahrung sich nicht unbedingt in Zertifikaten widerspiegeln. Also ein durchaus kritischer Blick auf fachliche Hilfe.

Bei aller Empathie für die Bandbreite von Trauma- und Trauerreaktionen vertreten sie sehr klare Positionen, etwa dass Angehörigen die Möglichkeit des Begreifens, also der Kontakt mit dem Körper des Verstorbenen, nicht verwehrt werden darf. Das Selbstbestimmungsrecht der Trauernden steht für sie über allen Ratschlägen von professioneller Seite.

Asanger-Verlag. ISBN-Nummer: 3-89334-577-9
164 Seiten, 19,80 €

 

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3 Kommentare auf “Trauer und Trauma – Buchempfehlung”

  1. Birgit Aurelia Janetzky sagt:

    hallo Ferdinand,
    ja, es ist wichtig, sich Hilfe zu Suchen. Freunde, Vereine und Anlaufstellen sind jedoch nicht unbedingt die richtigen Ansprechpartner, wenn es um den Umgang mit Traumata geht.

  2. Ferdinand sagt:

    Hallo, ja das wird in der Tat so sein. Wichtig ist es aber auch, sich Hilfe zu suchen, wenn man die Trauer nicht alleine bewältigen kann. Oftmals helfen Freunde dabei oder auch gibt es Vereine und Anlaufstellen, die Betroffenen behilflich sind.

  3. Hans Lackermeier sagt:

    Ich denke, dass dieses Buch eine großen Mehrwert bietet und allen Betroffenen etwas hilft und zur Seite steht. Niemand vermag einschätzen zu wollen, welchen Schmerzen die Hinterbliebenen ausgesetzt sind. Danke für den tollen Artikel und die Buchvorstellung. Viele Grüße

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