“Das Problem mit den alten Leuten wird nicht weniger, obwohl so viele sterben. Aber es wachsen immer neue nach.”
]]>Meine Freundin ist Trauerrednerin. Sie lebt mit Gedichten. Sie lebt von Gedichten. Ich bewundere sie, denn unsere Gespräche unterbricht sie immer wieder, um zu einem bestimmten Stichwort ein Gedicht zu rezitieren. Ich kann das nicht. In ihren Regalen stehen ungelogen fünf Meter Gedichtbände, thematisch und nach Autor/innen sortiert. Aus fast jedem Band ragen kleine Zettelchen heraus, Markierungen aus stillen Stunden des Zwiegespräches mit bewegender Lyrik. Ein unerschöpfliches Reservoir an Sprachbildern, die sie gekonnt einzusetzen weiß in ihren Trauerreden.
Wenn ich diesen Schatz digitalisiert auf meinem PC hätte. Wie leicht wäre es mit einer Stichwortsuche diesen Schatz zu erschließen…
Zum Glück gibt es online die Anthologie des Herrn Bohn. Sie ist nur ein kleiner Bruder der Gedichtsammlung meiner Freundin. Doch als ich sie vor 10 Jahren (!) entdeckte, schlug auch mein Herz höher. Andere Portale mit Todes- und Trauerlyrik die ich kenne, enthalten die immer selben Texte. Der Schatz des Herrn Bohn enthält einige Perlen. Aber vielleicht hat ja noch ein Leser/ eine Leserin einen Hinweis auf eine gute Sammlung im Internet für mich parat.
]]>Dieses Grundlagenwerk für die Sterbe- und Trauerbegleitung wird fortlaufend aktualisiert. In zwei DIN A5 Ringordnern gibt es inzwischen über 80 Beiträge von mehr als 40 Autoren auf über 2.000 Seiten. Regelmäßig erscheinen neue Artikel oder vorhandene Artikel werden überarbeitet, wenn sich z.B. Gesetzesgrundlagen ändern.
Die Beiträge umfassen medizinische, rechtliche, psycho-soziale und spirituelle Hilfestellungen. Mit zahlreichen Beispielen und nützlichen Anleitungen, z. B. zur Qualitätsentwicklung und Professionalisierung hat die Arbeitshilfe einen enormen Wert für die praktische Arbeit.
Abbonenten erhalten einen kostenfreien Zugang zum Onlineportal und den dort veröffentlichten Arbeitshilfen, Checklisten, hilfreichen Adressen und aktuellen Meldungen.
Zwei der Artikel habe ich selbst beigetragen. Ich empfehle das Werk gerne weiter, weil ich selbst nutze. Was ich schätze, sind die Aktualisierungen, mit denen auf Veränderungen und Trends reagiert weren kann. Die Artikel sind ausnahmslos von versierten Autorinnen und Autoren geschrieben und von hoher Qualität.
]]>Auf den Bahnhöfen schienen sich die Wartenden an den Anblick der Todeszüge gewöhnt zu haben. Wie Fotodokumente aus mehreren Städten beweisen, fanden die Deportationen oft am helllichten Tag und auf den Nachbargleisen des alltäglichen Zugverkehrs statt. Aus dem Ruhrgebiet ist bekannt, dass einzelne Waggons an übliche Reisezüge gekoppelt wurden, um die deportierten Menschen zu Knotenpunkten des Bahnverkehrs zu bringen und dort mit anderen Verschleppten zusammenzuführen.
Auf dem Weg in die Vernichtung wurden die letzten Botschaften der Opfer gefunden, die sie aus den Zügen warfen: verzweifelte Hilferufe, Brieffetzen und Postkarten. Kaum ein Bahngleis, das an die Schicksale der Verschleppten erinnert; wenige Bahnhöfe, in denen ein Ort des Gedenkens besteht.
Vom 29. März bis 1. April 2009 ist die Ausstellung in den Zugwaggons in Freiburg zu sehen. Ein Begleitprogramm ermöglicht die Begegnung mit Zeitzeugen, bietet Filme und Freiburger Bezüge. Download: Zug der Erinnerung - Programm Freiburg.
Momentan steht der Zug in Offenburg (24. -26. März). Weitere Stationen in diesem Frühjahr werden sein: Konstanz, Biberach a.d. Riß, Laupheim, Ulm, Augsburg, München, Regensburg, Nürnberg, Fürth.
]]>Da mein Hauptinteresse der Bestattungskultur gilt, frage ich mich schon eine ganze Weile, was mit all den Profilen geschieht, die man über die Jahre im Web verstreut hat, wenn das reale Leben endet. Jetzt gehen in den USA erste Dienste an den Start, die dieses Problem bereits im Vorfeld regeln wollen. Spiegel Online berichtet darüber und über die Ergebnisse einer Anfrage an verschiedene Community-Betreiber. Werden die Profile gelöscht? Haben die Angehörigen Zugang zu den gespeicherten Inhalten, so wie sie Zugang zu im Nachlass gefunden Briefen haben? Ist dies im Sinne der Angehörigen? Oder muss der digitale Nachlass konsequent gelöscht werden?
Ein Unternehmensberater, mit dem ich einmal über dieses Problem gesprochen habe, hat dafür den Begriff “postmortales Digitalmanagement” geprägt. Auch wenn dieses Wortungeheuer schräg klingt - es liegt auf der Hand, darüber nachzudenken, was im Falle eines Todes mit den eigenen Nutzerkonten geschehen soll. Wer sammelt die Profile am Ende wieder ein?
Die Nielsen-Studie als Download (Registrierung notwendig).
]]>Das hat mich an ein Zitat erinnert:
“Viele Gedenkminuten hätten durch Denkminuten vermieden werden können.” (Wolfgang Eschker)
]]>Die vor allem von Schülerinnen und Schülern genutzte Community schülerVZ hat schnell reagiert. Denn dort suchten sie alle nach Informationen für die Titelseiten, die Leute von den Medien.
Zwei gute Artikel habe ich auf mehrblog.net gefunden. SchuelerVZ nahm die Profile der Opfer und des Täters heraus, um die virtuell Schaulustigen abzuweisen. Ebenso wurde eine Reihe von Gruppen gesperrt, die spontan eingerichtet wurden, um das Entsetzen ausdrücken und die Trauer mit anderen teilen zu können.
Als Grund dafür gibt das Unternehmen an, dass die Nutzer vor sensations suchenden Journalisten geschützt werden sollen - Die Betroffenen sprechen von Zensur.
Jüngere Menschen haben einen anderen Umgang mit Privatheit und persönlichen Informationen im Internet. In den Communities muss man sich registrieren, um dort lesen und schreiben zu können, doch das ist schnell gemacht. Wo die Jugendlichen die Eingriffe von SchülerVZ als Zensur empfinden, sehe ich den Schutz der Opfer und der Angehörigen. In der spontanen Betroffenheit werden Einträge gemacht, die allzu öffentlich sind. Sinnvoll ist es, in den Schulen, in den Klassen miteinander zu sprechen, was der Amoklauf auslöst, welche Ängste da sind, welcher Umgang untereinander, welche Gewalterfahrungen die Jugendlichen haben und wie darauf reagiert werden könnte. Ich bin sicher, auch dies ist momentan eine Welle, die viele erfasst.
]]>Sie bieten Menschen die Möglichkeit, für Verstorbene einen Eintrag anzulegen. Zur Erinnerung, zum Gedenken, zum Trauern. Diese weltweit zugänglichen Todesanzeigen bieten neben Namen, Geburts- und Todesdatum die Möglichkeit eine (virtuelle) Blume ans Grab zu legen, eine (virtuelle) Kerze zu entzünden oder mit einem eigenen Kondolenzeintrag mitzufühlen. Die technischen Möglichkeiten sind immer einfacher zu handhaben, so kommen die Lieblingsmusik der Verstorbenen, Bildgalerien, Videosequenzen und das Versenden von Trauerkarten dazu. In den vergangenen zwei Jahren haben sich die Angebote deutlich vermehrt. Deshalb lohnt es sich, einen Blick auf diese kollektiven Internetfriedhöfe zu richten. Es gibt darüber hinaus private Gedenkseiten, individuell für einzelne Personen erstellt, die irgendwann einen eigenen Blog-Beitrag bekommen werden. Eine gute Übersicht vorhandener Gedenkseiten bietet der Open Directory Katalog.
Wie so viele Entwicklungen begann auch diese in den USA. Der Internetfriedhof cemetery.org existiert seit 13 Jahren. Für Deutschland sind ganze sechs Einträge verzeichnet. Seit Jahren gedenken die Deutschen selten virtuell, vielleicht ist das der Grund, weshalb der erste deutsche Internetfriedhof, die Hall of Memory (geboren 1998), die digitale Welt wieder verließ, bevor er erwachsen wurde. Die versprochene Ewigkeit war von kurzer Dauer.
Ein Blick auf die Einträge zeigt: Bei ca. 835.000 in Deutschland verstorbenen Menschen im Jahr 2008 (Quelle: Statistisches Bundesamt) ist der Anteil derjenigen, von denen durch Einträge auf Gedenkseiten virtuell Abschied genommen wird verschwindend gering. Das ist zu erwarten. Denn für Menschen der Generation, die jetzt nach und nach stirbt, ist „Internet” oft ein Fremdwort. Ihre Kinder kennen meist schon Homebanking, Ebay und Photoshop, doch sie lesen die Sterbeanzeigen in der Zeitung und verschicken ihre schwarzumrandeten Einladungen zur Trauerfeier mit der Post.
Bei einigen Anbietern wird die Zahl durch selbst angelegte Einträge über verstorbene Prominente erhöht. Genutzt werden im Internet veröffentlichte Nachrufe und Bilder. Das erhöht die Besucherzahlen der Seiten, denn wer nach einem Prominenten sucht, findet auf diesem Weg zu mylegat, emorial und Co. Die Datierung der Einträge von prominentenlosen Seiten, sagen mehr über die Nutzung aus, als die schönen Worte auf den Startseiten: 2007 der letzte Eintrag im Gästebuch, letzte Nachruf vom März 2008. Vielleicht kommt die Zeit der Gedenkseiten noch, wenn die Internetnutzung alltäglich wird und diese Möglichkeit sich weiter herumspricht.
Die Anbieter von Gedenkseiten gehen unterschiedliche Wege. Manche sind kostenfrei, jeder kann jemand anderen eintragen. Ein besonders gelungenes Beispiel (Achtung Ironie!) ist der Eintrag über Adolf Merckle auf dem Portal Inlutto:
Adolf Merckle * 18.03.1934 - † 05.01.2009 Auf Grund einer wirtschaftlichen Schieflage nahm sich der schwäbische Milliardär das Leben. Ein normaler Manager hätte sich eine fette Abfindung bezahlen lassen und wäre weitergezogen ….
Andere kosten Geld. Dafür werden die Seiten betreut, Einträge wie den über Herrn Merckle gibt es dort nicht. Stattdessen gibt es einen Login für einen privaten Bereich oder zusätzliche Angebote wie Foren und Beratung. Ein Erfolg versprechendes Geschäftsmodell haben nur wenige Gedenkseiten, wie etwa e-bestattungen. Das Portal ist mit einem durchdachten Affiliate- und Partnerprogramm ausgestattet und Angehörige können zwischen einer kostenfreien Kondolenzseite und einer kostenpflichtigen Gedenkseite wählen.
Die vorhandenen Portale richten sich mit ihrer Gestaltung und Sprache an die älteren Generationen. Sie befinden sich auf den Strassen des Internets, die die jüngeren Menschen nicht entlang gehen. Deshalb werden sie kaum aufgesucht. Werden die jungen Leute mit einem Sterbefall konfrontiert, finden Sie selten den Weg zu Geh-den-Weg.de. Adresse unbekannt.
Wer mit den digitalen Medien aufwächst, erfährt vom Tod eines Freundes in Windeseile über die Social Community auf StudiVZ oder MySpace, nicht aus der Zeitung oder einem E-Mail-Link auf eines der Gedenkportale. In den Communities wird auch der Termin der Trauerfeier gepostet und seitenlang reiht sich ein Betroffenheitseintrag an den anderen.
Die trauernden Jugendlichen agieren in der weltweiten Öffentlichkeit des Internets auf eine Art und Weise, wie die ältere Generation es niemals schriftlich, sondern nur im Privaten mündlich tun würde. Einträge auf einer Kondolenzseite (ausnahmesweise doch auf einem Gedenkportal, nämlich mylegat.de gefunden):
…ich finde schade das J. grade so reagiert… deine Bemerkung “guter Freund” kannst dann auch von dieser Seite nehmen hinter deinem Namen J…. es ist traurig was du grade abziehst…
J. reagiert ca. eineinhalb Stunden später:
man sollte fragen bevor man so nen Müll schreibt…
Eine Studie über das Trauerverhalten junger Menschen im Internet steht noch aus. Doch wer sich eine Weile auf dem Videoportal Youtube umschaut, wird schnell fündig. Ich habe Sabrina selbst nicht gekannt, doch sie auf diese Weise kennen zu lernen berührt mich. Das Video für sie zeigt, wie Gedenken im Internet aktuell gestaltet wird, jenseits der dafür bereit gestellten Gedenkseiten.
Edit: zusätzliche Verlinkungen. Aussicht für die Gedenkseiten. Fehlerkorrektur.
]]>“Da kannst du einen Begräbnisplatz erwerben, der gehört dir dann dein Leben lang.”
]]>Digital Natives können Infos einfach schneller verarbeiten, sie besitzen eine geringere Konzentrationsspanne, jedoch eine verbesserte Augen-Hand Koordination. Weiters tendieren Natives dazu eine sehr emotionale Bindung zu ihrer Technologie wie Handys zu entwickeln, sie sind immer vernetzt, copyright ist ihnen ein Fremdwort und Information wird sowieso nur mehr digital konsumiert.
Wer nicht Digital Native ist, ist in der sich neu entwickelnden Nomenklatur Digital Immigrant. Ein Immigrant ist ein Einwanderer, gemeint hier: in die digitale Welt. Das sind all die Älteren, Alten und ganz Alten, die noch ein Leben ohne Internet und Mobiltelefon kennen. Im Grunde sind es die Digital Naives, die digital Naiven. Oder anders eingedeutscht: Es gibt die Digital Eingeborenen und die Digital Einfältigen.
Ich werde nie diese Geschwindigkeiten erreichen, eine SMS in die Tastatur meines Handys zu hacken. Nie werde ich ein Profil bei StudiVZ oder MySpace mein Eigen nennen. Ich erspare meinen Freunden eine öffentliche Beschreibung unserer gemeinsamen Aktivitäten. Ein Buch lese ich noch von vorne bis hinten durch und bekommen Augenschmerzen beim Scannen von Webseiten. Ich bekenne: ich gehöre zu den Digital Naives.
Auf der Cebit sagte einer der interviewten Newcomer: „Es gibt Plätze, an denen ich im Web lebe.” Für mich eine neue Sichtweise. Ich bin immer davon ausgegangen, dass ich das Web nutze. Leben tue ich in Freiburg. Weiter meinte er, die Digital Natives würden die technischen Geräte als Verlängerungen ihres Körpers betrachten. Ich bleibe lieber digital naiv. Meine Körper ist das, worin mein Blut zirkuliert. Ich fühle mich nicht amputiert, wenn ich mal keinen Internetzugang habe.
Gleichzeitig ist es sinnvoll, sich mit der Generation Internet auseinanderzusetzen, denn:
Auch im Job machen Digital Natives vieles anders als ihre Eltern: Sie ziehen zwischen Arbeit und Privatleben keine scharfe Linie, arbeiten vernetzt und nach Fähigkeiten, statt isoliert und nach zugewiesenen Funktionen. Sie wählen ihren Arbeitsplatz nach ihrer Vision, statt nach dem Status einer Firma. Und sie wollen flache Hierarchien.
Hört sich gut an. Wenn es der Generation Internet gelingt, die Arbeitswelt in diesem Sinne zu verändern, werde ich für dieses Land einen Einwanderungsantrag stellen.