Gedenkseiten im Internet

Sie heißen ganz profan “Menschen-Gedenken”, “Kondolenzbuchservice” und “Portal der Erinnerung” oder mit religiösem Bezug „Ewiges Leben”, “Ewige Erinnerung” und „Paradies-Friedhof”.

Sie bieten Menschen die Möglichkeit, für Verstorbene einen Eintrag anzulegen. Zur Erinnerung, zum Gedenken, zum Trauern. Diese weltweit zugänglichen Todesanzeigen bieten neben Namen, Geburts- und Todesdatum die Möglichkeit eine (virtuelle) Blume ans Grab zu legen, eine (virtuelle) Kerze zu entzünden oder mit einem eigenen Kondolenzeintrag mitzufühlen. Die technischen Möglichkeiten sind immer einfacher zu handhaben, so kommen die Lieblingsmusik der Verstorbenen, Bildgalerien, Videosequenzen und das Versenden von Trauerkarten dazu. In den vergangenen zwei Jahren haben sich die Angebote deutlich vermehrt. Deshalb lohnt es sich, einen Blick auf diese kollektiven Internetfriedhöfe zu richten. Es gibt darüber hinaus private Gedenkseiten, individuell für einzelne Personen erstellt, die irgendwann einen eigenen Blog-Beitrag bekommen werden. Eine gute Übersicht vorhandener Gedenkseiten bietet der Open Directory Katalog.

Wie so viele Entwicklungen begann auch diese in den USA. Der Internetfriedhof cemetery.org existiert seit 13 Jahren. Für Deutschland sind ganze sechs Einträge verzeichnet. Seit Jahren gedenken die Deutschen selten virtuell, vielleicht ist das der Grund, weshalb der erste deutsche Internetfriedhof, die Hall of Memory (geboren 1998), die digitale Welt wieder verließ, bevor er erwachsen wurde. Die versprochene Ewigkeit war von kurzer Dauer.

Ein Blick auf die Einträge zeigt: Bei ca. 835.000 in Deutschland verstorbenen Menschen im Jahr 2008 (Quelle: Statistisches Bundesamt) ist der Anteil derjenigen, von denen durch Einträge auf Gedenkseiten virtuell Abschied genommen wird verschwindend gering. Das ist zu erwarten. Denn für Menschen der Generation, die jetzt nach und nach stirbt, ist „Internet” oft ein Fremdwort. Ihre Kinder kennen meist schon Homebanking, Ebay und Photoshop, doch sie lesen die Sterbeanzeigen in der Zeitung und verschicken ihre schwarzumrandeten Einladungen zur Trauerfeier mit der Post.

Bei einigen Anbietern wird die Zahl durch selbst angelegte Einträge über verstorbene Prominente erhöht. Genutzt werden im Internet veröffentlichte Nachrufe und Bilder. Das erhöht die Besucherzahlen der Seiten, denn wer nach einem Prominenten sucht, findet auf diesem Weg zu mylegat, emorial und Co. Die Datierung der Einträge von prominentenlosen Seiten, sagen mehr über die Nutzung aus, als die schönen Worte auf den Startseiten: 2007 der letzte Eintrag im Gästebuch, letzte Nachruf vom März 2008. Vielleicht kommt die Zeit der Gedenkseiten noch, wenn die  Internetnutzung alltäglich wird und diese Möglichkeit sich weiter herumspricht.

Die Anbieter von Gedenkseiten gehen unterschiedliche Wege. Manche sind kostenfrei, jeder kann jemand anderen eintragen. Ein besonders gelungenes Beispiel (Achtung Ironie!) ist der Eintrag über Adolf Merckle auf dem Portal Inlutto:

Adolf Merckle * 18.03.1934 – † 05.01.2009 Auf Grund einer wirtschaftlichen Schieflage nahm sich der schwäbische Milliardär das Leben. Ein normaler Manager hätte sich eine fette Abfindung bezahlen lassen und wäre weitergezogen ….

Andere kosten Geld. Dafür werden die Seiten betreut, Einträge wie den über Herrn Merckle gibt es dort nicht. Stattdessen gibt es einen Login für einen privaten Bereich oder zusätzliche Angebote wie Foren und Beratung. Ein Erfolg versprechendes Geschäftsmodell haben nur wenige Gedenkseiten, wie etwa e-bestattungen. Das Portal ist mit einem durchdachten Affiliate- und Partnerprogramm ausgestattet und Angehörige können zwischen einer kostenfreien Kondolenzseite und einer  kostenpflichtigen Gedenkseite wählen.

Die vorhandenen Portale richten sich mit ihrer Gestaltung und Sprache an die älteren Generationen. Sie befinden sich auf den Strassen des Internets, die die jüngeren Menschen nicht entlang gehen. Deshalb werden sie kaum aufgesucht. Werden die jungen Leute mit einem Sterbefall konfrontiert, finden Sie selten den Weg zu Geh-den-Weg.de. Adresse unbekannt.

Wer mit den digitalen Medien aufwächst, erfährt vom Tod eines Freundes in Windeseile über die Social Community auf StudiVZ oder MySpace, nicht aus der Zeitung oder einem E-Mail-Link auf eines der Gedenkportale. In den Communities wird auch der Termin der Trauerfeier gepostet und seitenlang reiht sich ein Betroffenheitseintrag an den anderen.

Die trauernden Jugendlichen agieren in der weltweiten Öffentlichkeit des Internets auf eine Art und Weise, wie die ältere Generation es niemals schriftlich, sondern nur im Privaten mündlich tun würde. Einträge auf einer Kondolenzseite (ausnahmesweise doch auf einem Gedenkportal, nämlich mylegat.de gefunden):

…ich finde schade das J. grade so reagiert… deine Bemerkung “guter Freund” kannst dann auch von dieser Seite nehmen hinter deinem Namen J…. es ist traurig was du grade abziehst…

J. reagiert ca. eineinhalb Stunden später:

man sollte fragen bevor man so nen Müll schreibt…

Eine Studie über das Trauerverhalten junger Menschen im Internet steht noch aus. Doch wer sich eine Weile auf dem Videoportal Youtube umschaut, wird schnell fündig. Ich habe Sabrina selbst nicht gekannt, doch sie auf diese Weise kennen zu lernen berührt mich. Das Video für sie zeigt, wie Gedenken im Internet aktuell gestaltet wird, jenseits der dafür bereit gestellten Gedenkseiten.

Edit: zusätzliche Verlinkungen. Aussicht für die Gedenkseiten. Fehlerkorrektur.

Autor:
Datum: Sonntag, 15. März 2009 15:48
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6 Kommentare

  1. 1

    FriedWald bietet schon sein Jahren den Service kostenloser Gedenkseiten im Internet an. Verstorbene, die in einem FriedWald beigesetzt wurden, können mit einem Foto und einem persönlichen Spruch der Angehörigen, virtuell im Internet verewigt werden. Bei allen kommerziellen und negativen Beispielen dieses, ursprünglich wohl in den USA entstandenen Erinnerns, haben solche Friedhöfe im Internet für viele Angehörige eine wichtige Funktion: Das Gedenken und Erinnern im Internet hilft beim Abschiednehmen und ist somit Teil der Trauerarbeit. An Jahrestagen werden bei FriedWald häufig Gedenkseiten wieder an Freunde und Bekannte verschickt. Viele Angehörige kommen regelmäßig auf unsere Gedenkseiten, weil es für sie tröstlich ist, einen solchen Ort des Erinnerns und Gedenkens im WWW zu haben. Einen Eindruck von den FriedWald-Gedenkseiten kann man hier bekommen: http://www.friedw.de/Gedenken___Detail.AxCMS?id=47&index=0.

    Viele Grüße
    Andrea Amerland, FriedWald GmbH
    Internetredaktion

  2. 2

    Das Portal UnsereLiebsten.de bietet seit Beginn dieses Jahres ebenfalls die Möglichkeit eine Gedenkseite im Internet zu erstellen. Dabei ist das Besondere, dass alle Verwandten und Freunde gemeinsam die Seite gestalten können.

    Besonderer Wert wurde auf die Gestaltung und spezielle Funktionen, wie z.B. ein stimmungsvolles Intro und eine Familie & Freunde-Seite um in Kontakt zu bleiben. Außerdem kann man die Seite komplett privat schalten, so dass man nur mit einem Passwort Zugang hat.

    Man kann die Funktionen kostenlos testen.

  3. 3

    Mit http://www.im-herzen.de haben wir einen Ort im Internet geschaffen, wo Gedenkseiten erstellt werden können, die der Würde eines Verstorbenen gerecht werden.

    Es gibt viele liebevoll gestaltete Varianten, es können zahlreiche Bilder und die dazugehörigen Geschichten gespeichert werden.Es kann über das Leben des Verstorbenen und über die eigenen Gefühle und Gedanken geschrieben werden. Sie können öffentlich oder nur für den privaten Familien- und Freundeskreis freigegeben werden. Man kann auch auswählen, wer die Seite mitgestalten darf. Über ein Gesprächsfenster kann man sich mit Familie und Freunden direkt auf der Gedenkseite unterhalten und somit auch große Entfernungen überbrücken.

    Die Seite ist komplett werbefrei gehalten. Einziger Nachteil, sie ist nach einer kostenlosen 14 tägigen Testphase kostenpflichtig (einmalig 95 Euro) –
    dafür bleibt diese aber dauerhaft online, wird nicht gelöscht und es wird aktiv darüber gewacht, dass keine Werbung oder Spammissbräuche erfolgen.

  4. 4

    Ein schöner, ein empfehlenswerter Blog. Von jetzt an will ich regelmäßig hier vorbeischauen.

  5. 5

    Ich möchte an dieser Stelle noch http://www.cemeon.de ergänzen. Es können kostenlos Gedenkseiten mit Kondolenzbuch erstellt werden.

  6. 6

    Ich freue mich, auch mein Portal hier vorstellen zu dürfen. In wenigen Wochen (am 01.05.2011) startet mit http://www.gedenkseiten.de ein hochwertiges Portal, welches zu 100% werbefrei ist. Nach einem jahr Planung und Umsetzung steht das Portal in Kürze für jeden kostenlos zur Verfügung. Kostenlos, wer macht denn sowas? Ich! Warum? Weil ich meine Brötchen mit anderen, tollen Portalen verdienen darf und ich so die Möglichkeit habe etwas zurück zu geben. Ich freue mich auf zahlreiche Besucher und viel Feedback. Ich bin für jede Kritik offen und sauge Tipps auf wie ein Schwamm.

    Liebe Grüße aus München
    Oliver

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