Ist das nicht gruselig

gruselig

Wann löscht man die Stimme eines Menschen vom Anrufbeantworter, nachdem dieser gestorben ist? Wer den Anrufbeantworter neu bespricht, hat das Gefühl er würde den Verstorbenen/ die Verstorbene  jetzt aktiv auslöschen. Es ist kein einfacher Schritt, einen Anrufbeantworter neu zu besprechen und damit zu signalisieren, dass auch in diesem Trauerhaus das Leben weitergeht. Die Anrufer fragen eher “Ist das nicht gruselig? Sie ist tot und jetzt höre ich ihre Stimme am Telefon.”

Ich stelle mir ein ähnliches Erschrecken vor, wenn ich einen Brief oder einer E-Mail von jemanden bekomme, von dem ich weiß, dass er oder sie tot ist. Das Internet macht es möglich. Gut gemeinte Dienste wie lastpost oder ein-letzter-Brief bieten Menschen an, letzte Botschaften zu verschicken. Nur, was schreibe ich in eine solche Nachricht, das ich nicht schon zu Lebzeiten meinem Partner hätte sagen können, müssen oder wollen? Löse ich bei meinen Eltern, Kindern oder Freunden nicht nur ein zusätzliches Bedauern aus? Wenn wir das gewusst hätten… Ganz zu schweigen von dem Fall, bei dem der Inhalt der letzten Botschaft eine Abrechnung oder Beschimpfung ist. Nichts mehr ist im Kontakt zu klären, da der Absender auf ewig verzogen ist.

Wer einen Nachlass aufzulösen hat, findet alte Briefe, Tagebücher, Notizen zwischen den Seiten eines Buches, Anmerkungen in einem Gedichtsband. Es ist etwas sehr Berührendes, auf diese Weise von einem Menschen mehr zu erleben, als er es mir je in seinem Leben gezeigt hat. Die Verstorbenen haben sich in der Regel keine Gedanken darüber gemacht, dass es nach ihrem Tod zurückbleibt. Die Nachrichten aus dem virtuellem Jenseits dagegen werden in dem Bewusstsein verfasst, dass die Adressaten sie nach dem eigenen Tod erhalten. Sie haben den Beigeschmack von “was ich dir immer schon mal sagen wollte, mich aber nicht getraut habe”. Schade, dass du dich nicht getraut hast.

Autor: Birgit Aurelia Janetzky
Datum: Dienstag, 21. April 2009 9:12
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